Wüstenzeit! – Wunderzeit! 

Pfingstrose. Foto: Eva Böhme Nachdenkliches

Wüstenzeit! – Wunderzeit! 

Von manchen Dingen möchte man sich ganz schnell wieder verabschieden. Corona gehört dazu. Von daher fand ich es schwer, meinem Gegenüber zuzuhören, als er sagte: „Gekommen, um zu bleiben.“ Und als ich aus dem Oberkirchenrat dann noch einen Brief bekam, in dem in einer gewagten Kette die 40 Tage vom shut down bis zu den ersten öffentlichen Gottesdiensten, in einem Atemzug genannt wurden mit den 40 Jahren, die das Volk Israel in der Wüste herumirrte, da habe ich gemurrt und habe nur gedacht „Nein, bitte keine 40 Jahre.“ Später habe ich dann überlegt: „Und was wäre, wenn? Was wäre, wenn eine lange Wüstenzeit vor uns liegen würde?“ Und dann habe ich meinen Gedanken ihren Lauf gelassen. Das Ergebnis gebe ich an Sie weiter.

Wüstenzeit, das ist das erste, ist Zeit zu murren. Die Geschichte erzählt: Kaum aufgebrochen, murren die Israeliten. Über Mose, über seine Art zu führen, und überhaupt: So hat man sich den Weg in die Freiheit – oder sagen wir – in die neue Normalität nicht vorgestellt. Und wenn ich das so bedenke: Ja, manchmal möchte ich auch murren. Dieses Abstandhalten, diese reduzierte Form zu leben, diese mich umgebende und einfach nicht in den Griff zu kriegende Unsicherheit – nein danke!

Das zweite ist: Wüstenzeit ist Zeit der Verführung und der Anfechtung und immer wieder auch des Abfalls. Biblisch gesehen von Gott. Und ich merke: Ja, manche hadern in diesen Tagen mit Gott. Diese Krankheit stellt ein Bild von Gott in Frage, das nicht trägt. Denn lieb ist das alles nicht. Und also heißt es wohl aufbrechen und neu suchen und sich von einem Bild zu verabschieden, das nur für gute Tage gut war. Und all die Verschwörungstheorien, die fake news und was es sonst noch an wenig hilfreichen Nachrichten gibt. Es ist Zeit, genau hinzuschauen und sich nicht verwirren zu lassen.

Wenn es gut geht, ist diese Wüstenzeit deswegen ein Raum, sich neu zu sammeln, sich zu klären, zu entdecken: Ach ja, das ist also wirklich wichtig im Leben und das andere dachte ich nur, dass es wirklich wichtig sei. Und manches, was ich für selbstverständlich hielt, entdecke ich jetzt, dass es in Wahrheit gar nicht selbstverständlich ist. Sich nah sein zu können, herbergen zu können, an einem Tisch sitzen zu können, Besuche machen zu können, wie es einem beliebt – was für Schätze – nur nicht im Augenblick.

Pfingstrose. Foto: Eva Böhme

Und dieses Bewusstsein, was da wächst, ist so etwas wie eine Frucht. Ob wir später einmal aus diesem neu gewachsenen Bewusstsein unser Leben anders gestalten als bisher, wer weiß. Aber schon jetzt gibt es so etwas wie Spielräume, die es zu gestalten gilt. Ich zumindest merke für mich. Viele Menschen sind in diesen Tagen mit großer Kreativität unterwegs. Notgedrungen, aber immerhin. Sie gestalten, den Freiraum, der ihnen bleibt. Und wenn ich daran denke, wie viele Spielräume bleiben, obwohl viele, viele Verordnungen die Gestaltungsmöglichkeiten für Gottesdienste einengen, dann bin ich froh.

Und dann, dann gibt es noch die Wunder. Wüstenzeit ist immer auch Zeit für Wunder, für Unerwartetes, für Geschenke, für Lichtblicke, für Erleichterungen, für Augenblicke, die es wert sind zu leben. Ich auf jeden Fall habe mich riesig gefreut, als ich in der Johanneskirche in Laufen stand und sah, wie jeder Stuhl den Barbara Güntert-Schmitz und Heidi Heuberger, wegstellte, eine neue Freiheit schuf. Ich hatte es nicht zu hoffen gewagt, aber die Kirche, so wie sie jetzt ist, mit ihren 26 Sitzplätzen wirkt einladend und lässt viel Raum zum Atmen. Noch am Abend schrieb ich in einer mail. Und dann haben wir die Stühle in der Johanneskirche gestellt bzw. herausgenommen. Und siehe da, das erste Wunder: Es sieht gut aus. Wir haben die Stühle etwas rund gestellt und das gibt ein gutes Gefühl. Schade nur, damit könnte man jetzt so vieles gestalten, wenn man sich bewegen dürfte. Aber das geht nun wieder nicht. Und die Stühle: Insgesamt 26 Plätze. Sehr erfreulich!

Und jetzt wünsche ich uns einfach, dass wir, auch wenn wir murren, nicht beim Murren stehen bleiben, sondern „dem Wunder die Hand hinhalten“

Pfarrerin Eva Böhme